Samstag, 27. Juli 2013

Kurzgeschichten


Das betrunkene Gesangstalent
Dieses Ereignis liegt schon einige Wochen zurück, doch bleibt weiterhin eindrucksvoll. Ziemlich am Anfang unseres Aufenthaltes hat uns Cameron, eine der Amerikanerinnen im Herberton-Komplex, etwas durch Dublin geführt und uns die wichtigsten Ecken für den Start gezeigt. An der Tram-Station saß ein älterer Herr, schmuddelige Schuhe, braune Lederjacke und etwas windschief zur Seite geneigt. Die Sonne schien und er blickte uns zahnlos-grinsend mit einem etwas glasigen Blick entgegen. Just als wir in Hörreichweite waren, begann er auch schon ein Gespräch mit uns. Als dann sein Blick auf Cameron fiel, begann das Spektakel: er brach seinen Wortschwall mitten im Satz ab, riss die Augen auf und begann spontan ein Lied auf die Schönheit und Anmut unserer Stadtführerin zu singen. Ihr war das sichtlich unangenehm, aber ich war durchaus von dem Können des Gentleman beeindruckt. Rauchig-kratzend schlug uns geballte Pubromantik gepaart mit der Hemmungslosigkeit eines Betrunkenen entgegen. Schöner Einstand in die Kultur Irlands.


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Mädchen für alles
Bei einer Support Hotline zu arbeiten kann manchmal Spaß machen, ist manchmal aber auch zum Haare raufen.
Wenn ein Kunde anruft, probieren wir im Großteil der Fälle, uns per Remote Verbindung auf den jeweiligen PC zu schalten, heißt wir haben die volle Kontrolle über den PC. Diese Sache ist EXTREM hilfreich und verkürzt die Bearbeitungszeit eines Anrufs deutlich. Diese Verbindung wird über das Internet realisiert.

Oftmals bekommt man Anrufe, bei denen nicht unbedingt unsere Software ein Problem darstellt. Aber irgendwie scheint die Nummer unserer Hotline allgemein als PC Service angesehen zu werden, man hat ja auch schließlich für bezahlt. Warum man nicht lieber Microsoft, Adobe, Pinnacle oder die NSA anruft und um Hilfe für das spezifische Programm des jeweiligen Herstellers zu bekommen, erschließt sich mir nicht ganz.
Wie auch immer, ich habe mich auf den PC geschaltet und sehe keinerlei Probleme mit Webroot, das hat sich so wohl gefühlt wie das Bier im Kühlschrank. Ich frage also weiter und bohre immer tiefer in die Verhaltensweisen des Rechners, bis ich zu dem Schluss komme, dass es sich entweder um einen Hardwaredefekt oder einen fehlerhaften Treiber handeln muss. Um ersteres auszuschließen, empfehle ich dem Kunden, sein Windows neu zu installieren. Als von ihm die Frage kam, ob ich das nicht machen könne, war es erstmal kurz still.
Ganz davon abgesehen, dass ich es technisch nicht realisieren kann, WILL ICH IHM AUCH SEIN VERDAMMTES WINDOWS NICHT INSTALLIEREN, WEIL ICH BEI WEBROOT(!!!) ARBEITE!!!!! Die darauf folgende Frage, ob ich ihm im BIOS nicht seine Grafikkarte deaktivieren könne, hat mich dann schon nicht mehr weiter verwundert. Ich wollte ihm noch anbieten, dass ich in der Zeit des runter- und hochfahrens ja etwas Staub saugen könnte. Resigniert habe ich ihn darauf hingewiesen, dass ich es rein rechtlich nicht darf und habe mir die Erklärung des technisch Unmöglichen erspart.


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So findet man also Freunde
Support again. Diesmal aber erfreulich.
FBI Virus wird er genannt, gibt es in jedem Land in etwas anderer Form. Der PC wird nach dem Hochfahren gesperrt und kann nicht mehr benutzt werden, bis man nicht $300 (Betrag variiert) bezahlt hat. In Deutschland sieht es aus wie ein Sperrbildschirm der Polizei, in Irland wird er Garda-Virus genannt. Die Entwickler sind kreativ.
Einer unserer Kunden hat sich die neueste Generation eingefangen, die wir noch nicht entdeckt hatten (normalerweise haben wir sie nach ca. 2 Stunden in der Datenbank). Ich habe über eine Stunde Instruktionen über das Telefon gegeben und wir haben es endlich geschafft. Als der Kunde seinen Desktop wieder sah, hat er am Telefon gejubelt. Danach hat er sich tausend Mal bedankt und mir am Ende ganz trocken gesagt: "You are my new best friend!"

Das sind die Momente, wo man mit Tränen vor dem Bildschirm sitzt.


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Die Browserfrage
Wieder Support. Da passieren einfach die besten Sachen.
Ich - "Welchen Browser benutzen Sie?"
Kunde - "Google!"
Ich - "Sie meinen Google Chrome?"
Kunde - "Nein, google.com!"

oder auch

Ich - "Könnten Sie Ihren Browser öffnen?"
Kunde - "Meinen Was?"
Ich - "Ihren Browser. Wo Sie Internetsuchen starten oder Ihre Emails senden und empfangen."
Kunde - "Ach Sie meinen AOL!"
Ich - "... jep."

Manchmal bin ich so müde ...


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Erstickungsgefahr
Ich hatte das Frühstück vor Arbeit vergessen und war dementsprechend hungrig. Auf Arbeit habe ich mir die Sandwiches reingeschaufelt und mich tierisch verschluckt. Ich dachte kurz ich müsste sterben, aber nach einer Minute hatte ich mich wieder im Griff.


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Balkonmöbel
Unser Apartment hat eine Vorliebe für Balkonmöbel entwickelt. Da wir keine haben, haben wir in der Vergangenheit unsere Couch und Sessel raus gestellt und viele Abende auf selbigen verbracht. Da das Wetter viele Wochen verdammt gut war, standen die Teile durchgehend draußen.
Letztens hat es dann doch mal geregnet. Wir also flott alles reingeräumt, soll ja nicht nass werden (auch wenn das keinen größeren Schaden verursachen könnte, sowohl Sessel als auch Couch sehen aus, als ob 16 jährige Kinder mit ihren Butterflymessern die Sitzpolster aufgeschlitzt hätten). Wir haben also das erste Mal seit WOCHEN alle Möbel innerhalb der Wohnung, da klopft es an der Tür. Die Rezeptionistin, sichtlich genervt, hat uns darauf hingewiesen, dass keinerlei Möbel auf den Balkon gehören.
Alles eine Frage des Timings.